Frankfurt,
09
Januar
2023
|
09:17
Europe/Amsterdam

Zinswende und unsichere Preisentwicklung sorgten 2022 für Zurückhaltung am deutschen Immobilieninvestmentmarkt

  • Transaktionsvolumen mit 65,8 Milliarden Euro 41 Prozent unter dem Rekordergebnis des Vorjahres
  • Gestiegene Finanzierungskosten und Vielzahl an exogenen Risikoparametern führten zu einem Ausbleiben der üblichen Jahresendrallye
  • Büro blieb wichtigste Anlageklasse; neuer Rekord beim Transaktionsvolumen für Logistikimmobilien
  • Anstieg bei den Nettoanfangsrenditen setzte sich in allen Assetklassen weiter fort
  • Deutlich höhere Transaktionsdynamik ab Mitte 2023 erwartet

2022 betrug das Transaktionsvolumen am deutschen Immobilieninvestmentmarkt 65,8 Milliarden Euro, von denen 52,3 Milliarden auf Gewerbeimmobilien und 13,5 Milliarden auf Wohnimmobilien entfielen*. Verglichen mit 2021 ist das ein deutlicher Rückgang um 41 Prozent, jedoch lediglich sieben Prozent unter dem Zehnjahresdurchschnitt. Die übliche Jahresendrallye blieb Ende 2022 aus, bedingt durch die gestiegenen und unwägbaren Risikofaktoren in Form des Konflikts in der Ukraine, globaler rezessiver Tendenzen, höherer Finanzierungskosten und der zum Teil weit auseinanderliegenden Preisvorstellungen auf Käufer- und Verkäuferseite. Mit 13,6 Milliarden Euro wurde im Schlussquartal 2022 dennoch fast so viel investiert als im Gesamtjahr 2009 nach der globalen Finanzmarktkrise, als in Deutschland gerade einmal rund 14,4 Milliarden Euro in Immobilien flossen. Das sind die Ergebnisse einer aktuellen Analyse des globalen Immobiliendienstleisters CBRE.

Fabian Klein, Head of Investment

Auch wenn viele Investoren abwarten, der Markt steht nicht still – schließlich wurde 2022 pro Woche durchschnittlich deutlich mehr als eine Milliarde Euro investiert.

Fabian Klein, Head of Investment

„Gerade viele institutionelle Core-Investoren hielten sich 2022 zurück – der Hauptgrund für das rückläufige Transaktionsvolumen. Sie benötigen höhere Ankaufsrenditen, um Immobilieninvestments angesichts des neuen Zinsumfelds mit ebenfalls höheren risikolosen Festzinsanleihen rechtfertigen zu können.“ Aus diesem Grund ging 2022 der Anteil von Core- und Core-Plus-Produkten am Transaktionsmarkt im Vorjahresvergleich um elf Prozentpunkte auf 63 Prozent zurück, während Value-add- und opportunistische Investments ihren Marktanteil leicht erhöhen konnten. „Zeitgleich führten die in den vergangenen zwölf Monaten stark gestiegenen Fremdkapitalkosten dazu, dass Immobilieninvestments mit niedrigen Renditeniveaus für eigenkapitalschwache Akteure finanziell oft einfach nicht mehr attraktiv waren. Eigenkapitalstarke Anleger hatten und haben damit einen Marktvorteil und können sich in den aktuell laufenden Ankaufsprozessen häufiger gegen stärker fremdfinanzierte Investoren durchsetzen.“ 

Die Finanzierungszinsen, gemessen an der fünfjährigen Swaprate, sind im Jahresverlauf 2022 um rund drei Prozentpunkte gestiegen und haben damit das jahrelange negative Zinsumfeld endgültig hinter sich gelassen. Gleichzeitig legte die Rendite der zehnjährigen Bundesanleihe, die als Benchmarkrendite anzusehen ist, um knapp 2,7 Prozentpunkte auf 2,6 Prozent zum Jahreswechsel zu.

Dr. Jan Linsin, Head of Research

Diese Entwicklung sorgte vor dem Hintergrund gestiegener globaler Risikoparameter für gewisse temporäre Portfolioumschichtungen aufseiten institutioneller Anleger in Richtung festverzinslicher Anleihen.

Dr. Jan Linsin, Head of Research

Renditeanstieg setzte sich in allen Anlageklassen weiter fort

Die Nettoanfangsrenditen stiegen über alle Assetklassen hinweg weiter an. Gegenüber dem Vorquartal war insbesondere bei hochwertigen Büroimmobilien in den besten Lagen der Top-Standorte ein deutlicher Anstieg um 0,65 Prozentpunkte auf nunmehr 3,7 Prozent im Durchschnitt der Top-7-Standorte verzeichnet. Bei Geschäftshäusern in innerstädtischer Top-Lage (plus 0,45 Prozentpunkte auf 3,9 Prozent) und Logistikobjekten (plus 0,4 Prozentpunkte auf 3,8 Prozent) fiel der Anstieg ebenfalls deutlich aus. Bei Shopping-Centern war der Anstieg mit 0,2 Prozentpunkten auf aktuell 5,1 Prozent dagegen moderater.

Büro weiterhin die wichtigste Anlageklasse, neuer Investmentrekord bei Logistikimmobilien

Von allen Assetklassen waren Büroimmobilien weiterhin am stärksten nachgefragt, auch wenn rund ein Viertel weniger investiert wurde als 2021. Mit mehr als 23 Milliarden Euro entfielen jedoch 35 Prozent des gesamten Transaktionsvolumens 2022 auf diese Assetklasse, die von den Investoren trotz der lebhaft geführten Diskussionen rund um das Thema Homeoffice und New Work weiterhin präferiert wird. „Vor allem die stabilen Flächenumsätze und die nachfragebedingt zum Teil deutlich gestiegenen Durchschnitts- und Spitzenmieten bei zugleich moderaten Leerständen lassen Investoren zuversichtlich auf diese Assetklasse blicken. Aufgrund höherer Bau- und Finanzierungskosten und knapper Kapazitäten in der Baubranche dürfte sich das Angebot an hochwertigen, zentral gelegenen Flächen mittelfristig weiter verknappen und so für weiter steigende Mieten und damit werthaltige Investitionen sorgen“, erwartet Klein.

Mit einem Marktanteil von 20 Prozent (13,5 Milliarden Euro) stellten Mehrfamilienhäuser die zweitgrößte Assetklasse dar. Im Vorjahr floss, im Wesentlichen getragen von einigen milliardenschweren Portfoliotransaktionen, noch fast jeder zweite Euro in dieses Segment.

Der Investmentboom bei Logistikimmobilien setzte sich weiter fort. Mit 10,6 Milliarden Euro lag das Transaktionsvolumen in diesem Segment gar fünf Prozent über dem Vorjahreswert. Damit verbuchten Logistikimmobilien als einzige Assetklasse ein Umsatzplus gegenüber dem Vorjahr. „Die Neuausrichtung der globalen Beschaffungs- und Absatzmärkte, der Erfolg des Onlinehandels sowie die strukturellen Veränderungen im produzierenden Gewerbe von Just-in-Time zu Just-in-Case sorgen für sehr stabile Fundamentaldaten und entsprechendes Wachstumspotenzial angesichts eines bundesweiten Leerstands von weniger als zwei Prozent. Entsprechend groß sind das Interesse und die Bereitschaft vor allem von institutionellen Anlegern, in diese Assetklasse verstärkt zu investieren“, sagt Linsin.

Einzelhandelsimmobilien kamen auf einen Marktanteil von 13 Prozent, gefolgt von Entwicklungsgrundstücken mit rund fünf Prozent, Pflege- und Gesundheitsimmobilien mit vier Prozent und Hotels mit drei Prozent.

Berlin mit knapp elf Milliarden Euro stärkster Investmentmarkt

Auf die Top-7-Standorte entfiel erstmals seit Langem weniger als die Hälfte des Transaktionsvolumens (47 Prozent). Mit einem Transaktionsvolumen von 31 Milliarden Euro wurden 55 Prozent weniger angelegt als noch 2021. Berlin war mit einem Transaktionsvolumen von knapp elf Milliarden Euro trotz eines massiven Rückgangs gegenüber dem Vorjahr nach wie vor der größte Markt, gefolgt von Hamburg und Frankfurt. Düsseldorf verzeichnete als einziger unter den Top-Standorten ein leichtes Plus im Vorjahresvergleich, getrieben von mehreren großen Transaktionen wie dem Verkauf des Bürohauses Eclipse und des Metro-Campus.

Offene Immobilienfonds und nordamerikanische Investoren waren besonders aktiv

Im Gesamtjahr bauten offene Immobilien- und insbesondere Spezialfonds ihren Immobilienbestand weiter aus. Sie investierten gut zehn Milliarden Euro mehr, als sie verkauften. An zweiter Stelle folgten Asset- und Fondsmanager mit einem positiven Saldo von knapp sechs Milliarden Euro.

Einheimische Investoren verringerten ihre Aktivität am deutschen Markt im Jahresverlauf 2022 stärker (minus 52 Prozent) als internationale Anleger (minus 17 Prozent). 44 Prozent des investierten Kapitals stammten 2022 aus dem Ausland, insbesondere aus Nordamerika. Neben der milliardenschweren Übernahme der alstria office-REIT im ersten Quartal durch den kanadischen Asset Manager Brookfield kamen insbesondere das Investment von Oaktree in die Deutsche Euroshop AG sowie einzelne große Ankäufe in den Top-Standorten zum Tragen. Mit Brookfield und Oaktree wurden auch die beiden größten Transaktionen insgesamt im Investmentjahr 2022 von nordamerikanischen Investoren getätigt. „Darin spiegelt sich auch das Vertrauen dieser Investoren in den hiesigen Investmentmarkt und die Assetklassen Büroimmobilien und Shopping-Center wider“, sagt Klein.

Weniger Großdeals und Portfoliotransaktionen

Mit nur 125 Transaktionen oberhalb der 100-Millionen-Euro-Marke, die sich auf gut 34 Milliarden Euro summierten, gab es  2022 deutlich weniger Großtransaktionen als noch 2021 (166 Deals mit zusammen knapp 73 Milliarden Euro). „Gerade bei den großvolumigen Transaktionen dauern die Prüf- und Entscheidungsprozesse in den Investorengremien deutlich länger, und auch die erschwerten Finanzierungsbedingungen insbesondere in Form höherer Gesamtfinanzierungskosten sowie bankenseitig höhere Anforderungen für eine Kreditzusage erschweren eine höhere Investitionsdynamik“, analysiert Klein. Insgesamt zeigt sich zudem weiterhin ein deutlich höheres Interesse seitens der Investoren an selektiven Einzeltransaktionen als an Paketkäufen. So ging das im Rahmen von Portfoliotransaktionen investierte Volumen binnen Jahresfrist um 57 Prozent auf 24,6 Milliarden Euro zurück, während bei Einzelobjekten der Rückgang lediglich 26 Prozent auf 41,2 Milliarden Euro betrug und diese Transaktionsform so einen Anteil von 63 Prozent am Gesamtmarkt erreichte.

Ausblick auf das Gesamtjahr 2023

„Wir erwarten in den kommenden Monaten angesichts des neuen Finanzierungsumfelds mit höheren Zinsen ein weiteres Austarieren der Preisvorstellungen auf Käufer- und Verkäuferseite und dadurch eine weiterhin gebremste Marktdynamik“, erläutert Linsin. „Bei den Renditen dürfte sich der Aufwärtstrend in den einzelnen Assetklassen auch in der ersten Jahreshälfte 2023 noch etwas weiter fortsetzen. Mit dem neuen Preisniveau wird sich dann auch wieder eine Belebung des Transaktionsgeschehens einstellen, zumal weiterhin global sehr viel Liquidität zur Verfügung steht, die explizit in Immobilien und hier vor allem auch in Deutschland investiert sein möchte.“

„Der Investorenfokus wird sich auch 2023 vor allem auf Büro- und Logistikimmobilien sowie auf das Wohnsegment richten. Dabei stehen neben dem klassischen Core-Investment vermehrt Investmentalternativen mit Wertsteigerungspotenzial auf den Einkaufslisten der Investoren. Darüber hinaus verzeichnen wir ein deutlich höheres Interesse an opportunistischem Produkt und auch die Themen Distressed Assets und Non-performing Loans bieten Aussicht auf chancenreiche Investments“, ergänzt Klein.

„Für das Gesamtjahr 2023 ist ein Transaktionsvolumen von bis zu 55 Milliarden Euro erwartbar, wovon gut ein Viertel auf den Bereich des institutionellen Wohnens entfallen könnten“, prognostiziert Klein.

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CBRE Group, Inc. (NYSE:CBRE), ein Fortune-500- und S&P-500-Unternehmen mit Hauptsitz in Dallas, ist das weltweit größte Immobiliendienstleistungs- und Investment-Unternehmen – in Bezug auf den Umsatz im Geschäftsjahr 2021. Mit mehr als 105.000 Mitarbeitern (exkl. Turner-&-Townsend-Mitarbeiter) in über 100 Ländern bietet das Unternehmen seinen vielfältigen Kunden integrierte Dienstleistungen über den gesamten Immobilien-Lebenszyklus: von der strategischen und technisch-wirtschaftlichen Beratung, wie u. a. beim An- und Verkauf oder der An- und Vermietung, über die Entwicklung, Verwaltung und Bewertung von Immobilien bis hin zum Transaktions-, Projekt-, Facility- sowie Investment-Management.

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