Frankfurt,
05
Juli
2023
|
08:53
Europe/Amsterdam

Wohnimmobilieninvestmentmarkt Deutschland: Zinsanstieg lähmt die Investoren

  • Das Transaktionsvolumen belief sich im ersten Halbjahr 2023 auf 3,1 Milliarden Euro – minus 61 Prozent im Vorjahresvergleich
  • Spitzenrendite (Auf Marktmiete) stieg in den Top-7-Städten im Mittel auf 3,04 Prozent
  • Core-Wohnanlagen und Portfolios sind weiterhin stark bei nationalen und internationalen Investoren gefragt, sind aber aufgrund der nahezu eingestellten Neubautätigkeit nur sehr begrenzt verfügbar

Im ersten Halbjahr 2023 umfasste das Transaktionsvolumen am deutschen Wohnimmobilieninvestmentmarkt (ab 50 Einheiten) 3,1 Milliarden Euro. Im Vergleich zum ersten Halbjahr 2022 ist dies ein Rückgang um 61 Prozent. Bei dem zweiten Quartal 2023 handelte es sich um das schwächste Quartal am Wohnimmobilientransaktionsmarkt seit 2011. Auch die Anzahl der gehandelten Wohneinheiten brach ein – um 73 Prozent auf 11.900. Zulegen konnte hingegen der durchschnittliche Kaufpreis pro Quadratmeter – um 22 Prozent auf 3.400 Euro, insbesondere da im ersten Halbjahr maßgeblich hochwertige Wohnanlagen und Portfolios unter ESG-Kriterien gehandelt wurden. Größte Nettokäufergruppe waren Privatinvestoren mit 638 Millionen Euro. Immobilienaktiengesellschaften verzeichneten hingegen ein Minus von 920 Millionen Euro. Die Spitzenrenditen (auf Marktmietniveau) stiegen in den Top-7-Städten auf nun 3,04 Prozent im Mittel. Dabei reicht die Spanne von 2,90 Prozent in München bis 3,15 Prozent in Hamburg. Das sind Ergebnisse einer aktuellen Analyse des globalen Immobiliendienstleisters CBRE.

Konstantin Lüttger, Head of Residential Investment

Der Wohntransaktionsmarkt ist vom Winterschlaf nahtlos in die Sommerpause übergegangen. Die steigenden Zinsen und die Angst vor den Kosten der Energiewende lähmt die Investoren. Internationale Investoren – ihr Anteil lag bei etwa 40 Prozent – sehen den deutschen Wohninvestmentmarkt hingegen wesentlich optimistischer als einheimische Akteure, zumal die Fundamentaldaten ja auch stimmen.

Konstantin Lüttger, Head of Residential Investment

Zudem gibt es eine nachhaltige Nachfrage nach Core-Immobilien. Das zeigt beispielsweise die Transaktion von CBRE IM (Investition von fast 560 Millionen Euro in Bestände der Vonovia). Solche Wohnanlagen und Portfolios erzielen auch trotz der schwierigen Finanzierungssituation attraktive Renditen, da sie typischerweise in sehr gutem Zustand und gut gelegen sind sowie eine außerordentlich attraktive Perspektive für die weiteren Mietentwicklung haben.

Michael Schlatterer, Teamleader Residential Valuation

Dass solche Wohnanlagen und Portfolios nur selten gehebelt wurden, hat natürlich bei der Preisfindung geholfen und den aktuell hohen Bid-Ask-Spread für diese Transaktionen nahezu aufgelöst.

Michael Schlatterer, Teamleader Residential Valuation

Weniger Neubau und steigende Mieten

Im ersten Halbjahr entfielen 965 Millionen Euro auf Forward Funding-Transaktionen – vor einem Jahr waren es noch 3,1 Milliarden Euro. Und im zweiten Quartal 2023 hat sich das Transaktionsvolumen bei Projektentwicklungen im Vergleich zum ersten Quartal 2023 noch einmal halbiert. 

Jirka Stachen, Head of Research Consulting Continental Europe

Neubau wird in den nächsten Jahren aufgrund der hohen Gestehungskosten infolge der überbordenden gesetzlichen Anforderungen an die Energieeffizienz der Gebäude nur noch selektiv stattfinden. In Kombination mit den deutlich gestiegenen Zinsen, den restriktiveren Kreditvergabekonditionen und den erzielbaren Verkaufspreis im Exit auf niedrigerem Niveau rechnet sich Neubau für manche Projektentwickler und Investor oft nicht mehr.

Jirka Stachen, Head of Research Consulting Continental Europe

Auch der Umbau von Bestandsobjekten wird durch massive Kostensteigerungen sowie lange Planungszeiträume erschwert. Zwar helfen hier perspektivisch Programme wie KfW261, dies ist jedoch viel zu wenig, um ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage herzustellen.

Weniger Value-Add-Investments

Der im Vorjahresvergleich stärkste Einbruch erfolgte bei den Value-Add-Investments – minus 77 Prozent. „Neben der rückläufigen Transaktionsdynamik in diesem Segment wird im Lauf des Jahres ein weiterer erheblicher Preisrückgang zu beobachten sein“, erwartet Schlatterer. Denn Preise und erzielbare Mieten lassen aktuell noch keinen Spielraum für Value-Add-Investoren, die derzeit aktiv den Markt nach Opportunitäten scannen. Dabei geraten auch Entwickler in den Fokus, welche die Kostensteigerungen und Zinsbelastungen von laufenden Projekten nicht mehr stemmen können und daher Eigenkapital benötigen. Sofern sie dies nicht gelingt, könnten bis zum Ende des Jahres in diesem Marktsegment zunehmend Restrukturierungen und Insolvenzen zu erwarten sein.

Core- und Core-plus-Investments lagen nur etwa 50 Prozent unter dem Vorjahresniveau und wurden vor allem von eigenkapitalstarken Investoren und der öffentlichen Hand getätigt. „Diese Objekte werden aufgrund Ihres starken Mietpotentials sehr nachgefragt, aber kaum angeboten“, sagt Lüttger. Erhöht hat sich hingegen das Transaktionsvolumen im opportunistischen Segment. „Möglicherweise sehen einige Investoren hier das höchste Potenzial bei einer gleichzeitig schon erreichten preislichen Bodenbildung“, vermutet Schlatterer.

„Neben Core-Investoren ist auch die öffentliche Hand aktiv, mit dem Ziel, Wohnungsbestände sicher akquirieren zu können“, erläutert Lüttger. Insbesondere wird das in den hochpreisigen Kommunen Süddeutschlands deutlich, speziell in München. „Die Motivation der öffentlichen Hand ergibt sich aus den weiterhin stark steigenden Mieten und dem Auftrag langfristig Wohnraum für alle Bevölkerungs- und Einkommensgruppen bereitzustellen. Daher nutzen diese das aktuelle attraktive Zeitfenster “ so Lüttger.

 Berlin im Fokus

In der Hauptstadt wurden im ersten Halbjahr 2023 810 Millionen Euro investiert – damit führte Berlin das Transaktionsvolumen in den Top-7-Städten an. Berlin nimmt im deutschen Wohnungsmarkt weiterhin eine Ausnahmeposition ein. Nationale und internationale Investoren sowohl institutionell und privat sehen in diesem Markt – insbesondere auch im internationalen Kontext – erhebliche Perspektiven, trotz des nun vorgelegten „Abschlussberichts zur Vergesellschaftung großer Wohnungsunternehmen“ der Expertenkommission. Auf Platz zwei folgte München mit 570 Millionen Euro – vor einem Jahr waren es lediglich 126 Millionen Euro. Auf Frankfurt entfielen 180 Millionen Euro und auf Hamburg 116 Millionen. In den Städten und Regionen außerhalb der Top-7-Märkte wurde ein Transaktionsvolumen von 1,4 Milliarden Euro verzeichnet, nach 4,9 Milliarden Euro im Vorjahreszeitraum.

Ausblick auf den weiteren Jahresverlauf

„Das Transaktionsvolumen im Wohnsegment wird bis zum Ende des Jahrs weit unter dem Durchschnitt der vergangenen zehn Jahre liegen“, prognostiziert Lüttger. „Allerdings ist mit weiteren Portfoliobereinigungen zu rechnen. Auch der Refinanzierungsbedarf der börsennotierten Wohnungskonzerne wird das Angebot insgesamt hochhalten.

„Im Jahresverlauf werden die Renditen weiter steigen und sich zunehmend ausdifferenzieren. Während sie sich im Core-Bereich stabilisieren, wird vor allem bei Value Add- und opportunistischen Investments die starke Preiskalibrierung weiter anhalten“, ergänzt Schlatterer. „Für Teile des Wohnungsspektrums gibt es aktuell keinen Markt – das betrifft maßgeblich jene Wohnungsportfolios, die nicht nur unsaniert sind, sondern sich auch in wenig attraktiven und peripheren Lagen befinden.“

„Eine aktuelle Besonderheit ist das hohe Interesse internationaler Investoren vor allem für Nischensegmente des Wohnens, wie studentisches Wohnen, Mikro- und Serviceapartments und Senior Living. Hier werden in den nächsten Monaten einige Plattformtransaktionen zu beobachten sein“, erwartet Stachen.

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CBRE GmbHCBRE GmbH
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