Frankfurt,
05
April
2023
|
09:42
Europe/Amsterdam

Preisfindungsphase dauert an: Wohnimmobilieninvestmentmarkt Deutschland mit schwachem Jahresauftakt

  • Das Transaktionsvolumen belief sich im ersten Quartal 2023 auf 1,9 Milliarden Euro – minus 63 Prozent im Vorjahresvergleich
  • Spitzenrendite stieg in den Top-7-Städten im Mittel auf 2,78 Prozent
  • Neubau ist für Projektentwickler aktuell kaum attraktiv
  • Privatinvestoren waren seit Langem erstmals wieder stärkste Nettokäufer

Im ersten Quartal 2023 summierte sich das Transaktionsvolumen am deutschen Wohnimmobilieninvestmentmarkt (ab 50 Einheiten) auf 1,9 Milliarden Euro. Insgesamt wechselten circa 6.200 Wohneinheiten den Eigentümer. Im Vorjahreszeitraum waren es noch 5,1 Milliarden Euro beziehungsweise 31.900 Wohneinheiten (minus 63 Prozent im Vergleich). Damit handelt es sich bei den ersten drei Monaten 2023 um das schwächste Wohntransaktionsquartal seit 2013. Dennoch hatte das Wohnsegment einen Anteil von fast 30 Prozent am gesamten Immobilieninvestmentmarkt des ersten Quartals 2023. Hervorzuheben ist, dass der durchschnittliche Kaufpreis pro Wohneinheit um deutliche 60 Prozent auf 248.400 Euro zugelegt hat. Dies begründet sich jedoch nicht in Preissteigerungen, sondern vielmehr in einen höheren Anteil an gehandelten Core- und Forward-Objekten, die unter dem Aspekt ESG grundsätzlich gefragt sind. Das sind Ergebnisse einer aktuellen Analyse des globalen Immobiliendienstleisters CBRE.

Konstantin Lüttger, Head of Residential Investment

Der schwache Transaktionsmarkt zum Jahresauftakt ist auch im Wohnsegment ein klares Zeichen, dass die Vorstellungen von Verkäufer und Käufer weiterhin noch nicht zusammenpassen und dadurch das Transaktionsgeschehen weitestgehend pausiert.

Konstantin Lüttger, Head of Residential Investment

Damit verbunden ist ein anhaltender Preiskalibrierungsprozess, infolgedessen die Renditen weiter steigen. So sind die Spitzenrenditen im ersten Quartal in den Top-7-Märkten weiter angestiegen und betragen nun im Mittel 2,78 Prozent – mit einer Spanne von 2,60 Prozent in Berlin bis 2,85 Prozent in Düsseldorf, Köln und Stuttgart.

Michael Schlatterer, Senior Director Residential Valuation

Zum Quartalsende verzeichneten wir auch bei den Werten von Bestandsobjekten einen durchschnittlichen Rückgang zwischen acht und zehn Prozent gegenüber dem letzten Höhenpunkt Ende des zweiten Quartals 2022.

Michael Schlatterer, Senior Director Residential Valuation

Wohnungsneubau ist eingebrochen

Aktuell ist der Wohnungsneubau fast komplett zum Erliegen gekommen.

Jirka Stachen, Team Leader Research

Bereits angestoßene Neubauprojekte werden noch fertiggestellt und sind meistens bereits verkauft, aber neue Projekte werden vorläufig kaum mehr auf den Markt kommen.

Jirka Stachen, Team Leader Research

Deutlich wird das auch am Einbruch bei genehmigten Neubauwohnungen in Mehrfamilienhäusern im Januar 2023 um fast 30 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Ebenso ist aktuell eine umfassende Stornierungswelle im Wohnungsbau zu beobachten – 13,6 Prozent der Unternehmen meldeten im Januar 2023 gemäß ifo Institut abgesagte Aufträge, im Februar gar 14,3 Prozent. Zwar entfielen im ersten Quartal 2023 noch 670 Millionen Euro auf das Transaktionsvolumen in Projektentwicklungen in Form von Forward-Deals und Forward-Fundings, jedoch ist im weiteren Jahresverlauf ein weiterer Rückgang in diesem Segment zu erwarten.

Insbesondere die Finanzierungssituation infolge der Zinswende sowie die deswegen massiv gestiegene Renditeerwartung aufseiten der Endinvestoren hemmen die Entwicklertätigkeiten. Zudem sind die rechtlichen Rahmenbedingungen schwieriger geworden. Speziell die große Unsicherheit bei den ESG-Kriterien und die damit verbundenen gestiegenen technischen Anforderungen führen in Summe zu deutlich gestiegenen Herstellungskosten. „Die Preislücke, die sich aus diesen beiden Veränderungen ergibt, ist mittelfristig voraussichtlich nicht schließbar“, erklärt Stachen. „Ein möglicher Lösungsansatz könnte eine klare Rückkehr zu den KfW-Neubauförderungen sein, die in der vergangenen Dekade ein erfolgreicher Baustein in der Errichtung von ESG-konformen Wohnanlagen war.“

„Der Einbruch beim Neubau hat nutzerseitig bereits zu einem zunehmenden Wettbewerb um Bestandswohnungen im Mietmarkt geführt. Zusätzlich wird dieser Wettbewerb durch die starke Zuwanderung im vergangenen Jahr verstärkt“, sagt Schlatterer. „Angesichts gestiegener Nebenkosten rücken zugleich moderne ESG-konforme Wohnungen in den Fokus vieler Mieter. Aber auch die Speckgürtel zählen zu den Gewinnern der Neukalibrierung der Wohnungsmärkte“, ergänzt Lüttger.

Privatinvestoren als größte Nettokäufergruppe

Eigenkapitalgetriebene Käufer dominierten im ersten Quartal 2023 die Top 3 der größten Nettokäufer. Erstmals seit 2017 haben Privatinvestoren in einem Quartal mehr investiert als veräußert. Mit 494 Millionen Euro stellen sie die größte Nettokäufergruppe dar. Knapp dahinter auf Platz zwei liegen Offene Immobilienfonds und Spezialfonds mit 485 Millionen Euro an Nettozuflüssen. Platz drei belegen Versicherungen und Pensionskassen mit 144 Millionen Euro. Das größte Minus verzeichneten Immobilienaktiengesellschaften, die im ersten Quartal 352 Millionen Euro mehr veräußerten als investierten. „Wir gehen davon aus, dass die gelisteten Wohnungsunternehmen auch im Jahresverlauf zu den aktivsten Verkäufergruppen gehören werden, um Liquidität aufzunehmen und ihre Portfolios zu straffen“, erwartet Lüttger.

Studentenwohnheime und Mikrowohnen

Mit einem hohen Mietniveau und dem weiterhin sehr positiven Ausblick auf die weitere Mietentwicklung stellt das Segment studentisches Wohnen und Mikroapartments eine Besonderheit am Wohnungsmarkt dar. „Das führt sowohl dazu, dass in diesem Segment noch Neubauten realisiert werden können, als auch dazu, dass das Transaktionsgeschehen etwas aktiver ist. Der nach wie vor recht zersplitterte Markt ist insbesondere für kapitalstarke internationale Investoren von Interesse, die hier ihre Plattformen weiter ausbauen können“, analysiert Lüttger. Im ersten Quartal wurden in diesem Segment 273 Millionen Euro investiert – im Vorjahreszeitraum waren es 353 Millionen Euro. Aufgrund der anhaltenden Knappheit auf den Wohnungsmärkten, der geringeren Mietregulierung und dem starken internationalen Interesse wird das Volumen in diesem Bereich im Laufe des Jahres nur durch das fehlende Angebot limitiert werden. Insbesondere sind Neubauobjekte in Top-Lagen auf der Einkaufsliste.

Ausblick auf das Gesamtjahr 2023

„Gemäß dem aktuellen Investor Intention Survey von CBRE sind Wohnimmobilien – insbesondere in Deutschland – trotz der schwierigen Rahmenbedingungen an den Finanzmärkten weiterhin eines der wesentlichen Investitionsziele von Immobilieninvestoren“, sagt Lüttger. Die außergewöhnlich positiven fundamentalen Rahmendaten – angetrieben durch eine starke Nachfrage nach Wohnraum und ein begrenztes Angebot – bestärken diese Erwartung.

„Im Kontext weltweit anziehender Leit- und Kapitalmarktzinsen ist zu erwarten, dass im Durchschnitt die Renditen für Wohnimmobilien weiter steigen und vermutlich erst gegen Jahresende ihr Plateau finden werden“, ergänzt Schlatterer. „Eine Ausnahme gilt für das absolute Core-Segment, in dem anhaltend eine massive Übernachfrage von Käufern herrscht, sodass wir von einer weitestgehend stabilen Spitzenrendite um drei Prozent ausgehen“, so Lüttger.

„Trotz der bisher ausgebliebenen Zwangsverkäufe erwarten wir, dass das Angebot am Transaktionsmarkt aufgrund auslaufender Finanzierungen größer werden wird. Daraus können sich für Investoren attraktive Chancen ergeben, die ein klares Bild von ihren Zielinvestments haben“, prognostiziert Lüttger. Die generell positive Mietentwicklung im Gesamtmarkt wird auch eher opportunistische Produkte für Cash-on-Cash-orientierte Investoren attraktiv machen.

„Gerade ältere Bestandsobjekte, die CapEx-Problematiken aufweisen und zusätzlich wenig Mietpotenzial bieten, werden im institutionellen Markt an Bedeutung verlieren und zunehmend opportunistisch betrachtet. Das wird sich auch in deutlich verändernden und steigenden Renditen widerspiegeln“, erwartet Stachen.

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CBRE GmbHCBRE GmbH
Head of Residential Investment GermanySenior Director Residential Valuation
+49 69 170077-29+49 30 726145-156
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